Wohnzimmergespräche sind typisch GRÜN
Entstehung: Schon vor vielen Jahren gab’s bei den GRÜNEN und auch im Aichtaler grünen Ortsverband Gespräche mit unseren Politik-Promis in den Wohnzimmern der OV-Mitglieder. Winfried Kretschmann, Boris Palmer oder Winfried Hermann saßen in so manchem privaten Sessel.
Im Herbst 2016 hat unser OV-Mitglied und Kreisvorstand Gerhard Härer diese gute alte Tradition wiederbelebt – grüninterner, kritischer Gedankenaustausch. Die Gäste in Härer´s Wohnzimmer waren bisher: Regionalrat Andre Reichel (TTIP, CETA, Europa) Ingrid Grischtschenko (allg. zum Thema Landespolitik)
2017 startete mit dem Landesvorsitzender Oliver Hildenbrand (alles Mögliche), gefolgt von Daniel Lede Abal, MdL Flüchtlingspolitischer Sprecher und dem Regierungspräsident Wolfgang Reimer. Im Sommer 2017 war Matthias Gastel, MdB zu Gast in Neuenhaus.
Und 2018 fanden sich Sarah Händel von „Mehr Demokratie“ sowie Umweltminister Franz Untersteller und Franktionsvorsitzender Andreas Schwarz MdL und Dr. Gisela Splett in Härer´s Wohnzimmer ein.
Ein interessanter Abend mit Regierungssprecher Rudi Hoogvliet, dem Mann hinter unserem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, fand im März 2019 statt. Im September 2019 war Prof. a. D. Helmuth Kern zu Gast, im November Ursula und Michael Sladek, die Stromrebellen und Mitbegründer der Elektrizitätswerke Schönau – atomstromlos, klimafreundlich bürgereigen!
Terminvorschau 2020: Staatsekretär im Umweltministerium Baden-Württemberg Andre Baumann am 4.2.2020

Bericht vom 12. Wohnzimmergespräch in Aichtal bei Barbara und Gerhard Härer
Digitale Transformation – die Folgen für Selbstbestimmung, Bildung und Demokratie
Eingeladen war Prof. a.D. Helmuth Kern, untrennbarer Teil
des Künstler-Duos Erika und Helmuth Kern aus Neckartenzlingen.
Hier in Aich eingeladen wegen seines mit großem Engagement betrie-
benen Einsatzes gegen die ‘alternativlose’ Einführung des G5-Netzes.
Als langjähriges Mitglied der GRÜNEN sieht er seine Partei in der
Verpflichtung, nicht bedingungslos vor allem wirtschaftlich bestimmten
Interessen zu folgen, sondern derart tief greifende und gesellschafts-
verändernde Projekte vor ihrer Einführung sorgfältig zu prüfen,
Unklarheiten zu beseitigen, Entscheidungen abzuwägen und
gesundheitliche Bedenken ernst zu nehmen.
Der Hintergrund
Seine Positionierung resultiert zum einen aus seiner padägogisch
orientierten Vergangenheit in der Lehrerbildung, zum anderen aus
seinen bis heute andauernden künstlerischen Aktivitäten.
‘Der Mensch verfügt über zwölf Sinne (nach Rudolf Steiner), wieso
verzichtet er durch die immer häufiger genutzte virtuelle Welt unauf-
gefordert auf wichtige davon?’
Als einer der Vorsitzenden der Ortsgruppe Mobilfunk* hat er sich aus-
führlich mit Fragen des Mobilfunks, besonders seiner anstehenden
Erweiterung befasst, zu einer Vielzahl von Vorträgen eingeladen,
um zu sensibilisieren.
‘Entscheiden muss jeder selbst, aber vorher informieren sollte man
sich schon.’
Diese Aussage gilt für ihn nicht nur in Bezug auf die an diesem Abend
diskutierte Technologie, sondern auch auf sein generelles
Demokratie-Verständnis.
Die Position
Bekannt ist, dass die Koordination unserer Körperfunktionen über
das Gehirn durch elektrische Impulse gesteuert wird. Es entstehen
schwache Magnetfelder, die selbstverständlich Einflüssen von Außen
ausgesetzt sind.
Wie bei radioaktiver Strahlung sind auch Funkwellen oder Magnet-
felder unsichtbar. Bis auf elektro-sensible Menschen spüren wir hier
in der Regel nichts, zunächst nichts, muss man sagen.
Elektromagnetische Strahlung stört aber die Zellfunktionen.
Die bisher vorliegenden Untersuchungen enthalten unterschiedliche
Aussagen und Bewertungen. Langzeit-Untersuchungen fehlen.
Die Strahlungsintensität im privaten und öffentlichen Raum wird
deutlich zunehmen. Selbst das mit diesen Fragen befasste Bundes-
amt für Strahlenschutz sieht weiteren Forschungsbedarf und rät
zur Vorsorge.
Pädagogen und wissenschaftlich aktive Psychologen, wie z.B.
Manfred Spitzer**,fordern seit langem, Kindern und Jugendlichen auch
wegen sozialer Kompetenzprobleme bei der Nutzung digitaler Medien,
Zurückhaltung aufzuerlegen. Digitale Medienkompetenz können
Jugendliche erst später verantwortungsvoll einsetzen.
Die Waldorfschulen praktizieren diese Auffassung seit vielen Jahren.
Soweit alles gut, die Gäste des Abends folgen Helmuth Kern hier
absolut und sind mit diesen Ansätzen einverstanden.
Die Diskussion
Einige der Gäste kommen zu Wort:
‘Meine Kinder sind zu Digital Natives geworden, mein Arbeitsplatz
ist eingebunden in ein digital bestimmtes Geräteumfeld, eigentlich
kann ich nichts mehr sinnvoll erledigen, ohne digitale Technik
zu benutzen. Was ich kreativ bearbeiten und präsentieren muss
geht nicht mehr ohne Computer und schnelles Netz. Man erwartet
das von mir.‘
Und natürlich hängt unser Wirtschaftswachstum (dazu nur eine ei-
zige kritische Anmerkung und die Erwähnung des Begriffes POST-
WACHSTUM) mit der Weiterentwicklung dieser Technologien zusam-
men. ‚Sollen wir uns von anderen Ländern hier abhängen lassen?‘
Und überhaupt, jeden Tag erfahren wir, dass z.B. die produzierende
Industrie im Ländle händeringend auf die Implementierung der G5-
Netze wartet, um endlich (noch) produktiver und schneller zu werden.’
Langfristige Folgen wie z.B. Energiebedarf und der Einsatz dieser Tech-
nologien in Schwellen- und Entwicklungsländern sind bisher kaum absehbar.
Datenschutzskandale sind trotz DSGVO (Datenschutzgrundverordnung)
nicht weniger geworden, ein dadurch ausgelöstes besseres Verständnis
im Umgang mit den eigenen Daten sei aber zu verzeichnen.
Nach vielen kritischen und selbstkritischen Beiträgen melden sich
endlich auch einige der Jüngeren:
‚Die digitale Entwicklung hat doch auch viel Positives bewirkt. Die
Kommunikation (auch zwischen den Generationen und über weite Ent-
fernungen) ist deutlich einfacher geworden, KINDLE + Co sind sicher
umweltschonender als Unmengen von Büchern, die zweimal gelesen
werden und dann im Schrank verschwinden, die weitere Wälder kosten
und damit unsere Klimabilanz dauerhaft verschlechtern.
Wir bewegen uns jetzt auch mittels elektrischer Antriebe, leise und
unter Verzicht auf fossile Brennstoffe.
Und – ganz wichtig – in vielen autokratisch regierten Ländern können
sich Kritiker und Demokraten über Facebook, Twitter unterhalb der Staats-
medien informieren, abstimmen und formieren.‘
Das Fazit
Wie auch immer, schwarz/weiß ist auch an diesem Abend kaum möglich,
und Zukunft kann leider noch immer nicht vorhergesehen werden.
Absicht des Abends war es auch, Helmuth Kern die Gelegenheit zu
geben, seine Wünsche an grüne Politik zu formulieren.
Das sind seine Vorstellungen, die auch die Gäste des Abends
mit tragen:
– im Bildungsbereich digital-kritische, wissenschaftliche Erkenntnisse
mit Nachdruck umsetzen
– 5G nicht ohne Technikfolgen-Abschätzung einsetzen
– Langfrist-Untersuchungen in diesem Bereich konsequent
ansetzen und die Ergebnisse zur Diskussion stellen
Wie übermittelt man Anliegen wie diese aus der Zivilgesellschaft
an die Politik?
Dazu das Schlusswort von Gastgeber Gerhard Härer:
‚Werdet politischer, das könnt Ihr auch ohne Partei-Zugehörigkeit
sein. Bringt Euch ein, wendet Euch an die Politiker direkt, beteiligt
Euch in den entsprechenden Landesarbeitsgemeinschaften.‘***
* InfoMobilFunk Ortsgruppe Neckartenzlingen und Umgebung
** Spitzer, Manfred, Digitale Demenz, Droemer Knaur, München 2o12
*** LAG BILDUNG GRÜNE BW
Frank Huster
OV Aichtal-Neckartal
Nachsatz von Gerhard Härer:
Ein Tag später in der Fernsehsendung „Lesch’s Kosmos“ ging es ebenfalls um Digitalisierung. Laut lachen musste ich, als gezeigt wurde wie Eltern in „Silicon Valley“, die täglich mit der Digitalisierung zu tun haben, ihre Kids in die Waldorfschule schicken, weil dort dieses Thema erst dann angegangen wird, wenn eine gewisse körperliche und geistige Reife eingetreten ist (ca. 14 Jahre)
Auch ein Beispiel aus Singapur zeigte, dass Eltern „rebellieren“, weil ihre Kinder durch zu frühe digitale Bildung verhaltensauffällig werden.