Offener Brief zur Mobilitätswende im Landkreis Esslingen – GRÜNE JUGEND Esslingen

 

Esslingen, den 01.03.2020

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Klimakrise ist aktuell in aller Munde. Der Verkehrssektor trägt in Deutschland, und auch im Landkreis Esslingen, massiv dazu bei, dass wir unsere selbst gesteckten Klimaziele nicht einhalten können.

Wir fordern mehr Fahrradstellplätze in den Innenstädten und den Bahnhöfen. Fahrradboxen oder Fahrradkäfige sollten an jedem Bahnhof verfügbar sein, damit man sein Fahrrad dort auch bedenkenlos abstellen kann. Fuß- und Fahrradverkehr dürfen in der Verkehrsplanung nicht mehr nur nettes Beiwerk sein, sondern müssen mindestens mit dem motorisierten Verkehr gleichgestellt sein. Viele Fahrradwege müssen um einiges sicherer und besser beschildert werden. Der Straßeninfrastruktur fehlt es an zu vielen Stellen noch an Konzepten für alternative Antriebs- und Mobilitätsformen.

Um den Menschen immer öfters den Umstieg vom Auto auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu ermöglichen (und somit auch die Straßen zu entlasten), müssen diese attraktiver werden. Hierfür braucht es vor allem eine bessere und verlässlichere Taktung und mehr Möglichkeiten zur Fahrradmitnahme in Bussen.
Die Qualität des ÖPNV ist für viele Unternehmen mittlerweile auch ein standort- entscheidender Faktor. Im Anbetracht dessen ist es auch aus wirtschaftlicher Sicht unverständlich, dass das Instandhalten der teilweise jahrzehntelangen vernachlässigten Bahn-Infrastruktur und ein weiterer Ausbau des ÖPNV derart langsam geschieht.

Wir fordern Kooperationen mit dem Einzelhandel für den öffentlichen Nahverkehr anzustreben. In vielen Einkaufszentren werden Kunden für den Einkauf mit dem Auto mit kostenlosen Parktickets belohnt. Wer klimaneutral mit dem ÖPNV anreist sollte mindestens ebenso subventioniert werden.

Wir als Grüne Jugend im Landkreis Esslingen sind nicht mehr bereit noch länger tatenlos zuzusehen und sehen es als dringend notwendig an, dass alle Entscheidungsträger*innen die Verkehrswende unterstützen, damit wir den CO2 Ausstoß im Verkehrsbereich reduzieren können. Wir wissen, dass die Verwaltungen in mehreren Städten im Landkreis Esslingen schon seit Jahren an neuen Radwegekonzepten und Mobilitätskonzepten arbeiten. Leider scheint hierbei jedoch kein Ende in Sicht zu sein. Die Klimasteckbriefe für die Kommunen zeigen, dass es im Thema Klimaschutz noch sehr viel zu tun gibt. Wir benötigen konkretes Handeln jetzt und nicht erst 2050.

Gemeinsam haben wir als Grüne Jugend im Kreis Ideen gesammelt und konkretisiert, was alles im Landkreis Esslingen sowohl kurz- als auch längerfristig umgesetzt werden muss, um eine Verkehrswende hier vor Ort zu realisieren und eine bessere Mobilität zu erreichen.

 

Ideen für eine zukunftsfähige Mobilität im Landkreis:

1. In jeder Stadt über 15.000 Einwohner im LK Esslingen ist in den Innenstädten nur Anliegerverkehr erlaubt

  • Kein Parksuchverkehr mehr in den Innenstädten, mehr Sicherheit, Platz und Lebensqualität für Fußgänger. Die Reduzierung des Autoverkehrs in der Innenstadt ist ein erster Schritt zur wirklich autofreien Innenstadt.

2. Park- und Stellplätze
Mehr als 23 Stunden am Tag wird ein Auto geparkt und nicht genutzt. Viel Fläche geht dadurch verloren, wo bspw. stattdessen Grünflächen oder Parks entstehen können. Besonders ärgerlich sind aber falsch abgestellte Autos, welche andere Verkehrsteilnehmer behindern und somit zur Gefahr werden, wenn Sie auf Geh- oder Radwegen abgestellt sind. Wir fordern deshalb:

  • Mehr Parkkontrollen bei abgestellten Autos (bspw. auf Radwegen oder im Halteverbot). Das Personal kann durch die vielen Falschparker refinanziert werden
  • Umstellung aller neu anzuschaffenden öffentlichen/ kommunalen Fahrzeuge auf technologieoffene Elektromobilität per Dienstanweisung (wird aktuell schon in anderen Städten, bspw. Stuttgart umgesetzt
  • Reduzierung der Anzahl der Autostellplätze in Wohnbauten (v.a. Neubauten). Nicht jede Wohnung benötigt einen Autoabstellplatz
  • Öffentliche Stellplätze in Wohnquartieren können in Plätze für alternative Mobilität umgewandelt werden (Car-Sharing, Lastenradabstellplätze)
  • Mindestens zwei Fahrradabstellplätze pro Wohnung müssen vorgehalten werden. Wir bitten ebenso um Prüfung bei städtebaulichen Häusern/ Wohnbaugenossenschaften, ob hier bei bestehenden Bauten nachgerüstet werden kann
  • Keine kostenlosen Parkplätze an der Straße anbieten. Jede*r Autobesitzer*in muss bei der Anmeldung des Autos einen Parkplatz nachweisen, ansonsten fallen allgemeine Parkgebühren an, um die Kosten der Abstellfläche zu refinanzieren („Miete“)

3. Linienbusse/ S-Bahn im Landkreis Esslingen
Der ÖPNV im Landkreis Esslingen ist so divers wie der Landkreis selbst. Von guten Anbindungen in Städten zu schlechten Anbindungen außerhalb der Ballungszentren hat der Landkreis Esslingen alles zu bieten. Die Herausforderungen sind jedoch oft dieselben, verpasste Anschlüsse und eine schlechte Taktung sorgen dafür, dass Menschen das Angebot nicht nutzen und stattdessen in das Auto steigen. Eine Verbesserung des OÖPNV trägt massiv zu einer Verkehrswende bei. Wir fordern:

  • Busfahrpläne an S-Bahn anpassen
  • Busse warten in gewissen Zeitkorridor auf verspätete Züge/ S-Bahnen
  • Durchgehender 10-Minuten Takt der Busse zwischen 05:00 und 22:00 Uhr in Städten über 15.000 Einwohner. An S-Bahnstationen analog S-Bahn Takt, in kleineren Städten/ Doörfern Busverbindungen mindestens im Halbstundentakt, außerhalb der Kernzeiten halbstündlicher Ruftaxi-Takt ohne weitere Kosten für Nutzer (nur VVS- Ticketpreis).
  • 15-Minuten Takt der S-Bahnen auf der gesamten Strecke noch vor 2025 (keine Endstation Esslingen/ Plochingen bei der S1)
  • 10-Minuten Takt der S-Bahnen auf der gesamten Strecke. Erst ab einem 10-Minuten Takt wird eine Verbindung von Fahrgästen als flexibel wahrgenommen.
  • Generelle Fahrradmitnahme in jedem Linienbus zu jeder Uhrzeit ermöglichen
  • Bei Neuanschaffungen Busse in entsprechender Größe (Gelenkbusse) bereitstellen
  • Fahrradheckträger an Bussen, wenn umsetzbar
  • Bei Neuanschaffungen der Busse an alternative Antriebstechnologien denken. Städte sollen Möglichkeiten prüfen, ob Sie Oberleitungen für Busse installieren können Busanbindung in jedem Quartier, hierfür können Buslinien verlängert werden

4. Kooperationen mit dem Einzelhandel
In vielen Einkaufszentren werden aktuell Kunden belohnt, welche mit dem Auto einkaufen gehen. Sie können ihr Parkticket an der Kasse abstempeln lassen. Dagegen müssen alle Personen, welche den ÖPNV nutzen das Busticket selbst bezahlen und subventionieren mit ihrem Einkauf die Autoparkgebühren mit. Wir fordern deshalb alternative Anreize bei den Einkäufen in Einkaufszentren:

  • Anstatt Erstattung der Parkhaustickets soll ein ÖPNV-Ticket Rabatt angeboten werden
  • Bei Vorlage eines aktuellen Tickets gibt es 3€ Rabatt auf den Einkauf
  • Städtische Verwaltungen können hierbei „Startförderungen“ anbieten oder die
  • Möglichkeiten mit den Gewerbe- und Handelsvereinen sowie City-Initiativen vor Ort suchen

5. Innerstädtische Fahrradabstellplätze
Nicht nur Autofahrer sind tagtäglich auf der Suche nach einem geeigneten Stellplatz, auch Fahrradfahrer haben es im Landkreis Esslingen nicht leicht. Zu wenige und dazu noch unsichere Abstellmöglichkeiten sind für viele ein Hinderungsgrund mit einem teuren (E-) Bike kurz in die Innenstadt zum Einkaufen zu fahren oder das Fahrrad als Ergänzung zum ÖPNV zu nutzen. Fahrraddiebstähle können durch geeignete Abstellmöglichkeiten verhindert werden und somit mehr Menschen dazu bewegen, auch ihr Rad für kurze Wege in die Städte und zum Bahnhof zu verwenden. Wir fordern

  • Fahrradboxen oder -käfige an jedem Bahnhof im Landkreis Esslingen, die Anzahl der Fahrradboxen/ -käfige & Fahrradständer muss an jedem Standort massiv erhöht werden
  • Mindestanzahl an überdachten Fahrradständern in der Innenstadt muss 5% der Bevölkerung entsprechen
  • Mindestanzahl an Abstellboxen / Käfigen (für mehrere Räder) in der Innenstadt muss mind. 1% der Bevölkerung entsprechen
  • Videoüberwachung der Fahrradkäfige möglich, um Diebstähle zu verhindern
  • Fahrradleichen müssen durch das Ordnungsamt entsorgt werden
  • Zugang zu Fahrradboxen mit RFID-Schlüsseln möglich, um Nichtnutzung zu vermeiden. Beispielsweise mit automatisierter Mail nach drei Wochen ohne Nutzung der Fahrradbox. Nach längerem Leerstand wird die Box weitervermietet

6. Radwegeinfrastruktur
Eine gute Radinfrastruktur ist ein entscheidender Faktor, um Menschen den Umstieg vom Auto auf das Fahrrad zu erleichtern. Ein häufiger Hinderungsgrund Wege mit dem Fahrrad zurückzulegen ist die fehlende Sicherheit von Radwegen sowie insgesamt fehlende Radwege. Jede Ortschaft benötigt deshalb ein Radwegekonzept, welches schnell begonnen und umgesetzt wird. Hierin müssen folgende Punkte grundsätzlich berücksichtigt werden:

  • Radwegebeschilderung verbessern
  • Niederschwellige Meldestelle für falsche/ fehlende Radschilder einrichten (bspw. über App, Hotline, Website)
  • Ausbau der Radwege, Erhöhung der Sicherheit und bessere Instandhaltung
  • Gefährliche Punkte verringern
  • Geeignete Radfahrmöglichkeit an Bahnhöfen garantieren (Konflikte mit Fußgängern vermeiden)
  • geeignete Radwegekonzepte (Oberesslingen führt der Radweg über eine Unterführung mit Treppen) in umliegende Ortschaften

7. Fußgängerinfrastruktur
Fußgänger*innen sind das schwächste Glied im täglichen Verkehr und dennoch auf die Personengruppe, welche in einer Verkehrsplanung häufig vergessen wird. Verkehrsbereiche, welche vorrangig für Fußgänger*innen konzipiert wurden, gelten als besonders attraktiv und konfliktfrei und dienen der Aufwertung der Stadträume. Um das zu Fuß gehen attraktiver zu gestalten fordern wir:

  • Ampeln wo möglich durch Zebrastreifen ersetzen
  • Fußgängerfreundliche Ampelschaltung
  • Wetterschaltung (kürzere Wartezeiten bei schlechtem Wetter)
  • Kreisverkehr und Zebrastreifen wo möglich umsetzen
  • Wohngebiete fußgängerfreundliche planen (Verkehrsberuhigte Bereiche)

8. Mobilitätsinfrastruktur
Der Landkreis Esslingen hat in seiner Mobilitätsinfrastruktur noch häufig das Auto im Blick. Wir fordern, bei der Mobilitätsinfrastruktur in erster Linie alle anderen Formen der Mobilität in den Blick zu nehmen, um Bürger*innen des Landkreises den Umstieg vom Individualverkehr mit dem Auto hin zu anderen Formen der Mobilität so attraktiv wie möglich zu gestalten. Hierbei benötigt es im gesamten Landkreis Esslingen Konzepte zur Mobilität. Da diese jedoch eine lange Bearbeitungs- und Erstellungsdauer haben, fordern wir, dass folgende Punkte bereits jetzt angegangen und umgesetzt werden:

  • Bei Straßeninfrastruktur immer zuerst den Planungsfokus auf Fuß/ Rad / öffentlichen Nahverkehr legen
  • Regiorad an jedem Bahnhof im LK Esslingen installieren, sowohl Fahrräder als auch Pedelecs
  • Lastenradverleih anbieten
  • 1 Lastenrad pro Stadtteil
  • Pedelecs & Fahrräder an jedem Bahnhof
  • Ausweitung der Regioräderstandorte in Wohnquartiere/ Industriegebiete
  • Einen Stadtmobilstandort in jedem Ort im Landkreis Esslingen initiieren, sowie auch in neuen Wohnquartieren
  • Stadtmobilfahrzeuge müssen zu mindestens 85% alternative Antriebe besitzen
  • Mobilitätsstandorte in Wohnquartieren mit Stadtmobil & Regioradangebot

Gerne kommen wir mit Ihnen in Kontakt, um unsere Ideen zu diskutieren. Noch mehr würden wir uns aber darüber freuen, wenn Sie die Ideen vor Ort umsetzen und somit endlich zu einer verbesserten Infrastruktur für alle Formen der Mobilität im Landkreis Esslingen sorgen können.

 

 

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