Volksbegehren Artenschutz – „Rettet die Bienen“

Gute Nachrichten für die wildlebende Tier- und Pflanzenwelt in Baden-Württemberg

Das vor dem Hintergrund dramatischer Bestandsrückgänge in der Tier- und Pflanzenwelt im September in Baden-Württemberg gestartete Volksbegehren Artenschutz „Rettet die Bienen“ wird von den Initiatoren nicht weiterverfolgt. Der Trägerkreis des Volksbegehrens stimmte am 18. Dezember einem Kompromiss zu, der als Ergebnis eines von der grün-geführten Landesregierung angeregten, intensiven und offenen Dialoges erarbeitet werden konnte. Die Vertreter der zuständigen Ministerien für Umwelt und Landwirtschaft, sowie der Bauernverbände einigten sich mit dem Aktionsbündnis des Volksbegehrens auf einen Entwurf zur Novellierung der baden-württembergischen Landesgesetze für Naturschutz und Landwirtschafts- und Landeskultur, der im Frühjahr 2020 das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren durchlaufen soll.

Der Gesetzesentwurf sieht folgende Maßnahmen vor:

  • Mehr Rückzugsflächen: Damit gefährdete Arten sichere Rückzugsräume haben, sollen 10 % der Landesfläche hierfür zur Verfügung gestellt werden. Einbezogen sind die landwirtschaftlichen Betriebe, die einen wesentlichen Beitrag leisten sollen.
  • Biotopverbund: Unter Einbeziehung der Rückzugsflächen soll ein Netz räumlich und funktional verbundener Biotope geschaffen werden, das, abgestuft bis zum Jahr 2030, auf mindestens 15 % der waldfreien Landesfläche ausgebaut werden soll. Die Umsetzung des Biotopverbundes soll für alle Kommunen verpflichtend werden, wobei das Land die Bereitschaft zusagt, Fördermittel für die anfallenden Planungskosten bereitzustellen.
  • Streuobstwiesen: Ab einer Größe von 1.500 m² sollen Streuobstbestände unter Schutz gestellt werden. Für eine Umwandlung ist eine Genehmigung und ein Ausgleich vorgesehen. Zudem sollen die Pflege der Bäume und des Unterwuchses verbessert und die erwirtschafteten Produkte besser vermarktet werden.
  • Schutz in Schutzgebieten: In baden-württembergischen Schutzgebieten gibt es künftig nur noch Integrierten Anbau oder Öko-Anbau. In Naturschutzgebieten, das sind etwa zwei Prozent der Landesfläche, werden Pestizide ganz verboten. In allen anderen Schutzgebieten müssen Landwirt*innen künftig nach dem Integrierten Anbau arbeiten – also zum Beispiel Pestizide nur noch einsetzen, wenn bestimmte Schädlinge nachgewiesen sind, oder auf resistente Sorten setzen.
  • Öko-Anbau: Das Land sagt zu, zusätzliche Gelder für die Förderung des Bio-Anbaues bereitzustellen. Vorgesehen ist, die landeseigenen Landwirtschaftsbetriebe schnellstmöglich auf Öko-Anbau umzustellen. Als Zielvorgabe wurde vereinbart, bis zum Jahr 2030 30 bis 40 % der landwirtschaftlichen Flächen Baden-Württembergs ökologisch zu bewirtschaften. Zudem soll die Vermarktung der regionalen Bio- Produkte unterstützt und der Anteil in den Kantinen und Einrichtungen des Landes deutlich erhöht werden.
  • Pestizide: Das Land bekennt sich mit der Novellierung zu einer verbindlichen Reduktion des Einsatzes von chemisch-synthetischen Pestiziden in allen Anwendungsbereichen. Bis zum Jahr 2030 sollen 40 bis 50 % eingespart werden. Dies soll durch die Intensivierung der landwirtschaftlichen Beratung und ein regelmäßiges Monitoring sowie durch den künftigen Einsatzverzicht im kommunalen, privaten und industriellen Bereich erreicht werden.
  • Schottergärten: Gartenflächen sollen insektenfreundlich gestaltet und vorwiegend begrünt werden. Die Schotterungen von privaten Gärten soll künftig keine zulässige Verwendung im Sinne der Landesbauordnung sein.
  • Lichtverschmutzung: Eingriffe in die Insektenfauna durch künstliche Beleuchtung im Außenbereich und im Bereich von Anlagen der öffentlichen Hand sollen verstärkt eingeschränkt und minimiert werden. Vor der Aufstellung von Beleuchtungsanlagen soll eine Überprüfung der Beeinträchtigungen der Insektenfauna erfolgen. Ab 2021 sollen neu errichtete Beleuchtungsanlagen an öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen weitestgehend mit insektenfreundlicher Beleuchtung ausgestattet werden. Bestehende Anlagen sind bis zum Jahr 2030 entsprechend nachzurüsten.

 

Die erzielte Übereinkunft setzt in weiten Teilen auf Freiwilligkeit

und verzichtet weitgehend auf verbindliche Vorgaben oder Verbote. Vielmehr sollen zur Erreichung der hochgesteckten Ziele finanzielle Anreize geschaffen werden, für deren Ausgestaltung bereits Gelder im Umfang von 62 Millionen € im Landeshaushalt eingeplant sind.

Für alle Beteiligten, insbesondere für die Umweltverbände, ist von großer Bedeutung, dass die vorgesehenen Maßnahmen im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren keine Änderungen erfahren und uneingeschränkt zur Umsetzung kommen.

Es wird davon ausgegangen, dass nur mit dem Gesamtpaket wirksame Schritte gegen das Sterben und Aussterben der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt eingeleitet werden können. Von gleicher Bedeutung wird dann sein, dies durch regelmäßige, fundierte Erfolgskontrollen zu belegen. Die Ergebnisse dieses Monitorings werden zeigen, ob die Ziele tatsächlich erreicht werden können oder aber weitergehende Anstrengungen erforderlich sind.

Es ist ein Verdienst der im Bündnis Volksbegehren Artenschutz – „Rettet die Bienen“ zusammengeschlossenen Naturschützer, den Artenschutz als wichtiges Anliegen und berechtigten Anspruch der Gesellschaft vom Nebenschauplatz ins Zentrum der Politik gerückt zu haben.

Und es ist ein Verdienst der Landesregierung einen Dialog ins Leben gerufen zu haben, der Vertreter aller von den Anliegen des Volksbegehrens berührten Verwaltungen und Verbände, Befürworter und Kritiker mit einbezog und damit einer drohenden Polarisierung entgegenwirkte.

Letztendlich haben sich in Baden-Württemberg das grün geführte Umweltministerium und das schwarz geführte Landwirtschaftsministerium mit den Trägern des Volksbegehrens Artenschutz „Rettet die Bienen“ auf einen Gesetzesentwurf geeinigt, dem auch die Bauernverbände zustimmen konnten. Einen Entwurf, der verspricht den Rückgang der Vielfalt der heimischen Tier- und Pflanzenwelt zu stoppen oder sogar umzukehren. Dies insbesondere auch in intensiv von der Landwirtschaft genutzten Gebieten. Ein Entwurf, der die Artenvielfalt auf eine breite gesellschaftliche Basis stellt und die Interessen des Naturschutzes und der Landwirtschaft in einer angemessenen Weise zum Ausgleich bringt. Von dem zuletzt sogar erhofft werden kann, dass bundesweite Maßstäbe gesetzt werden.

Abschließend darf der Hinweis nicht fehlen, dass über eine zukunftsfähige und nachhaltige Landwirtschaft vor allem in europäischem Maßstab entschieden wird. In der Vergangenheit wurden durch ausgezahlten Agrarmilliarden das Artensterben angeheizt und falsche Anreize für die Landwirtschaft gesetzt. Über eine Neuausrichtung der Förderprogramme wird im Jahr 2020 entschieden und die Europäische Union ist aktuell aufgefordert, die Förderung der sogenannten Gemeinsamen Agrarpolitik grundlegend zu ändern. Teile der Politik, insbesondere die Grünen, und ein breit aufgestelltes gesellschaftliches Bündnis verlangen mit Nachdruck, die bisherigen Zahlungen an die Fläche (Flächenprämie) deutlich zurückzufahren und verstärkt nachhaltige Produktionssysteme zu fördern, die eine Beeinträchtigung der Ökosysteme zukünftig ausschließen.

Uli Stahl (Aichtal)

 

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